Figur der Anna-Selbtritt
Professor Enz, Initiator des Kapellenneubaus, gab dem landläufig bekannten Holzskulptur-Künstler Thomas Rees, den Auftrag eine Skulptur zu entwerfen und in der Kapelle aufzurichten.
Thomas Rees nutzt für seine künstlerischen Arbeiten stets „altes“ Holz, also aus von der Natur zurückgelassenen Bäumen/Baumteilen. So ist die Skulptur aus einer entwurzelten alten Linde entstanden, welche im Zastlertal in einem Wildbach lag.
Der Stamm ist ca. 100 Jahre alt und die Datierung nebst der Baumart ist das Bindeglied zur Kapelle, welche von vier Linden gerahmt wird. Diese Lindenwurden bekanntermaßen vor ca. 150 Jahren gesetzt.
Warum Selbtritt?
„Selbtritt“ ist ein altdeutscher Begriff für „zu Dritt“, oder eben „Dreiergruppe“. Betrachtet man die Figur genauer, so müsste sie eigentlich „selbviert“ heissen, da die dargestellte Personengruppe zu viert ist. So ist der „Auferstandene Christus“ dargestellt, aus wessen Herzen die drei Persönlichkeiten dargestellt werden, so die Anna, deren Tochter Maria, welche auf Ihrem Arm das Jesuskind trägt. Zu Füssen, genauer unter den Füssen der Maria eine Schlange.
Anna
Anna ist laut apokryphen* Evangelien die Mutter von Maria, also die Großmutter Jesu. Die Verehrung von Anna erlebte im 13.Jahrhundert eine sehr hohe Popularität.
Anna-Selbtritt
Im Großen und Ganzen die Darstellung der sog. „Heiligen Familie“ ohne Josef. Im Späten Mittelalter war die „Anna-Selbtritt“ in Deutschland ein beliebtes Andachtsbild, sodann als Anregung zur Andacht und zum Gebet. In den Andachtsbildern ist stets die Anna, neben Maria und dem Jesus-Kind dargestellt.
Die wohl berühmteste Darstellung einer "Anna-Selbtritt" dürfte die Darstellung aus der Feder von Leonardo Da Vinci sein. Das Original ist im "Louvre" zu betrachten, eine der Originalarbeitsskizzen in der National Gallery London / Burlington House
Von Leonardo da Vinci - National Gallery collection, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1465755
Zur Skulptur an sich:
Das Zertreten der Schlange durch Maria versinnbildlicht quasi die „neue“ Eva. Diese „neue Eva“ überwindet den Sündenfall, also quasi das Böse und steht dadurch für „Neuschöpfung“. Diese Neuschöpfung beginnt mit der Geburt Jesu.
Auf der linken Seite der Skulptur ist der Verweis zum Alten Testament, genauer durch das dargestellte Harfenspiel vertreibt David die bösen Geister.
Auf der rechten Seite ein Verweis auf die Geschichte der Kapelle, nämlich der Mord am Abt Konrad von Märgen mit der stilisierten Sühnekapelle darüber.
Anstelle einer Dornenkrone ziert das Haupt des dargestellten Christus ein Strahlenkranz, also auch hier die positive Botschaft der Auferstehung.
Fussnote:
*«apokryphe Evangelien» ist ein Überbegriff für eine Ansammlung von Texten. Er bezeichnet nicht nur die von den frühchristlichen Autoren verworfenen Schriften, sondern allgemein solche Jesusüberlieferungen, die nicht im Neuen Testament befindlich sind.